Fachliche Grundlage |
Anlass für die überarbeitete Darstellung der Naturräumlichen Regionen Niedersachsens ist der seit 1.März 2010 geltende § 15 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Danach sind nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen durch Ersatzmaßnahmen in dem betroffenen Naturraum zu kompensieren. "Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist." (§ 15 Abs. 2 Satz 3). Ersatzzahlungen sind nach § 15 Abs. 6 BNatSchG möglichst für Maßnahmen in dem vom Eingriff betroffenen Naturraum einzusetzen.
Nach der Einzelbegründung zu § 15 Abs. 2 des Entwurfs des BNatSchG (Bundestagsdrucksache 16/12274, S. 57), orientiert sich der Begriff "Naturraum" an der naturräumlichen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in 69 naturräumliche Haupteinheiten, wie sie vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlicht wurde (http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/natura2000/Naturraeume_Deutschlands.pdf).
In Niedersachsen werden an deren Stelle die bereits Anfang der 1980er-Jahre (z.B. DRACHENFELS et al. 1984) eingeführten Naturräumlichen Regionen 1 bis 9 zugrunde gelegt, im Wesentlichen in der Abgrenzung, wie sie seit 1993 für naturschutzfachliche Aufgaben (z.B. Rote Listen, Landschaftsplanung) verwendet wird (NLÖ 1993). Diese Regionen entsprechen im Prinzip den naturräumlichen Haupteinheiten des BfN, die erstmalig 1994 veröffentlicht wurden (SSYMANK 1994), unterscheiden sich aber in einigen Bereichen.
Eine Neuerung gegenüber der bisherigen Darstellung der Naturräumlichen Regionen Niedersachsens ist die Erweiterung der Region 1 jenseits der Ostfriesischen Inseln bis zur Grenze der 12-Seemeilen-Zone, begründet durch die Bedeutung der Meeresflächen für Natura 2000 und durch das Erfordernis der Prüfung und Kompensation verschiedener Projekte in diesen Bereichen (insbesondere Bau von Windkraftanlagen und Leitungen).
In der vorliegenden Karte werden vier der neun Regionen in jeweils zwei Untereinheiten unterteilt. Diese Untereinheiten sind nicht für die Eingriffsregelung relevant, sondern betreffen andere fachliche Fragestellungen.
Rote-Liste-Regionen
In einigen Roten Listen der in Niedersachsen gefährdeten Arten werden die Gefährdungskategorien neben einer Gesamteinstufung für das Land auch regionalisiert angegeben. Dabei bilden die Regionen 1 bis 6 das niedersächsische Tiefland (T), die Regionen 7, 8 und 9 das Hügel- und Bergland (H ). Die Küste (K) wird in einigen Roten Listen gegenüber dem restlichen Tiefland gesondert bewertet. Das Tiefland kann außerdem in einen Westteil (Regionen 2 und 4) und einen Ostteil (Regionen 3, 5 und 6) unterteilt werden. Dies ist für Rote Listen von Bedeutung, da sich Bestandssituation und Gefährdungen einiger Biotoptypen und vieler Arten in den Naturräumen westlich und östlich der Weser deutlich unterscheiden. Bei denjenigen Roten Listen, die keine gesonderte Einstufung für die Küste enthalten, zählt diese zum westlichen Tiefland (sofern das Tiefland unterteilt wird).
Die Region 7 bildet den Übergang zwischen Tiefland und Hügel-/Bergland. Sie wird dem Hügel- und Bergland zugeordnet, weil die vorherrschenden Lössböden ebenso die Becken und schwach geneigten Hänge des angrenzenden Weser-Leineberglands prägen und weil die Börden zahlreiche Hügel aus Kalk-, Ton- und Sandgesteinen aufweisen, die Lebensräume typischer Biotope und Arten des Berglands sind (s.o.). Dagegen fehlen die für das nördlich anschließende Tiefland kennzeichnenden nährstoffarmen Sandböden und Moore weitgehend. Daher entspricht die Gefährdungssituation bei den meisten Arten und Biotoptypen mehr der des Berglands als des Tieflands.
Biogeographische Regionen
Bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie sind auf europäischer Ebene die sog. "biogeographischen Regionen" von Bedeutung. Nach der Naturraumgliederung des BfN gehören in Niedersachsen die Naturräumlichen Regionen 1 bis 4, 5.1, 6 und 7 zur atlantischen biogeographischen Region, die Einheiten 5.2, 8 und 9 zur kontinentalen biogeographischen Region, wobei sich die Abgrenzungen des BfN von den niedersächsischen Regionen im Detail unterscheiden (vgl. oben stehender Link).
Region 1 "Niedersächsische Nordseeküste und Marschen"
Unterregion 1.1 "Deutsche Bucht": Sie umfasst den in der niedersächsischen 12-Seemeilen-Zone gelegenen Teil der naturräumlichen Haupteinheit "Deutsche Bucht" (D70 des BfN). Die Grenze zur Unterregion 1.2 verläuft nördlich der Inseln im Bereich der Seekarten-Nulllinie, also zwischen den Wattflächen und dem ständig wasserbedeckten Sublitoral. Da diese Linie durch Sedimentverlagerungen dynamischen Veränderungen unterliegt, muss die Unterregionsgrenze bei Betrachtung in größeren Maßstäben jeweils den aktuellen Verhältnissen angepasst werden. Abweichend von der Abgrenzung der Haupteinheit D70 werden die großen Rinnen der äußeren Ems, Jade und Weser sowie einiger Seegats der Unterregion 1.2 zugeordnet, da sie Bestandteile des Wattenmeeres sind.
Unterregion 1.2 "Watten und Marschen": Sie besteht aus dem Wattenmeer mit Wattflächen, Wattrinnen, Düneninseln und Salzwiesen, den Ästuaren von Ems, Weser und Elbe sowie den eingedeichten Marschen, die heute überwiegend von Grünland, Acker und Siedlungsflächen geprägt werden. Auf dem Festland werden die Grenzen zwischen den Marschen und den angrenzenden Naturräumlichen Regionen durch die Reichweite des Tideeinflusses in den Flüssen und durch die Verbreitung von Marschböden bestimmt, also von Standorten, die (zumindest vor der Eindeichung) unter dem Einfluss von Hochfluten des Meeres entstanden sind.
Region 2 Ostfriesisch-Oldenburgische Geest
Diese Region besteht einerseits aus Grundmoränenplatten mit Ackerflächen, Siedlungen, den landschaftstypischen Wallhecken und wenigen Wäldern, andererseits aus ausgedehnten, heute überwiegend kultivierten oder in Abtorfung befindlichen Mooren.
Region 3 Stader Geest
Die Stader Geest liegt im Dreieck zwischen Weser- und Elbeästuar und grenzt im Osten an die hügeliger ausgeprägte Lüneburger Heide, im Süden an das Allertal. Kennzeichnend sind die flachwelligen Grundmoränengebiete der Wesermünder, Zevener und Achim-Verdener Geest sowie die moorreichen Flussniederungen von Hamme, Oste und Wümme. Typisch ist der oft kleinräumige Wechsel von Acker-, Grünland-, Wald- und Moorgebieten.
Region 4 Ems-Hunte-Geest und Dümmer-Geestniederung
Die südliche Hälfte (Dümmer-Geestniederung) besteht aus Talsandflächen, großflächigen Mooren und kleinen Grundmoränenplatten, die stellenweise von Endmoränenzügen überragt werden. Der Nordteil (Ems-Hunte-Geest) wird von ausgedehnten Grundmoränenplatten geprägt, die vielfach von Flugsand oder Sandlöss bedeckt sind. Die Region wird durch die Flüsse Ems, Hase und Hunte sowie zahlreiche kleinere Fließgewässer gegliedert. Prägend sind heute intensiv genutzt Acker- und Grünlandgebiete, stellenweise aber auch große, vielfach nach Abtorfung wiedervernässte Hochmoore. Der Waldanteil ist relativ gering.
Region 5 Lüneburger Heide und Wendland
Unterregion 5.1 "Lüneburger Heide": Hier überwiegen sandige Grund- und Endmoränengebiete, geprägt von Äckern und Wäldern, aber auch den größten Sandheiden Niedersachsens. Bezeichnend sind zahlreiche Bäche und kleine Flüsse (z.B. Böhme, Örtze, Lachte, Ilmenau), die sich im landesweiten Vergleich durch besondere Naturnähe auszeichnen.
Unterregion 5.2 "Wendland, Unter Mittelelbeniederung": Mit dieser Unterregion, die vom Urstromtal der mittleren Elbe mit seiner einzigartigen Biotop- und Artenvielfalt geprägt wird, hat Niedersachsen Anteil am ostdeutschen Tiefland, das bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie zur kontinentalen biogeographischen Region gehört (s. Kapitel 4). Einige kontinental verbreitete Arten und Biotoptypen erreichen hier den Nordwestrand ihrer Verbreitung (z.B. Brenndoldenwiesen).
Region 6 Weser-Aller-Flachland
Dieser Naturraum besteht aus den Urstromtälern von Aller und Weser sowie den südlich anschließenden, von Leine, Fuhse und Oker gegliederten, flachwelligen Moränenlandschaften. Im Westteil liegen zahlreiche, teilweise noch relativ naturnahe Hochmoore. Neben Acker und Grünland haben auch Wälder erhebliche Flächenanteile, wobei im sandigen Nordteil Kiefernforste, im Süden auf besseren Böden Laubwälder vorherrschen. Das Niedermoor- und Auengebiet des Drömlings im östlichen Ausläufer ist stärker kontinental geprägt, wird aber wegen der geringen Größe des niedersächsischen Anteils nicht als eigene Unterregion gefasst.
Region 7 Börden
Unterregion 7.1 "Börden (Westteil)": Kennzeichnend sind fruchtbare Lössböden mit ausgedehnten Ackerflächen, kleinflächig aber auch staunasse Standorte sowie Erhebungen mit naturnahen Laubwäldern. Hügel wie Gehrdener Berg oder Kronsberg verdeutlichen den Übergangscharakter dieser Naturräumlichen Region zwischen Tief- und Bergland. Im Süden schieben sich die Lössbecken zungenförmig zwischen die Ausläufer des Weser-Leineberglands. Die Nordgrenze ist vielfach undeutlich ausgeprägt und orientiert sich vorwiegend an der Verbreitung der Lössstandorte.
Unterregion 7.2 "Ostbraunschweigisches Hügelland": Dieser Naturraum ist noch deutlicher als Hügelland ausgeprägt als 7.1. Höhenzüge wie Oderwald, Asse und Elm erreichen Meereshöhen von über 200 m und tragen Kalk- und Silikat-Buchenwälder, wie sie für das Bergland typisch sind. Im Südostteil liegen die einzigen Vorkommen von Steppenrasen in Niedersachsen mit kontinental verbreiteten Arten wie Pfriemen-Federgras und Frühlings-Adonisröschen (s. Kapitel 4).
Region 8 Weser und Weser-Leinebergland
Unterregion 8.1 "Osnabrücker Hügelland": Diese Einheit ist Teil des nordwestlichen Ausläufers des Weserberglands und setzt sich aus den niedersächsischen Anteilen von Wiehengebirge, Teutoburger Wald und dem dazwischen gelegenen Hügelland zusammen. Aufgrund der räumlichen Trennung durch Landesteile von Nordrhein-Westfalen wurde dieses Gebiet als eigene Unterregion gefasst. Im Unterschied zum Weser-Leinebergland hat diese Unterregion eher Hügellandcharakter und ist durch ein kleinteiliges Mosaik aus Wäldern, Siedlungen und landwirtschaftlichen Nutzflächen geprägt. Der Nordwestrand weist fließende Übergänge zum Tiefland auf. Hier wurden - im Unterschied zur Abgrenzung der Haupteinheit D36 des BfN - nur der Gehn als Exklave des Hügellands abgegrenzt und angrenzende Geeststandorte der Region 4 angeschlossen.
Unterregion 8.2 "Weser-Leinebergland": Typisch ist der vielfältige Wechsel von lössbedeckten, ackerbaulich genutzten Becken und von oft steil aufragenden, meist aus Kalk- oder Sandstein aufgebauten, waldreichen Bergzügen wie Süntel, Deister, Ith, Solling und Göttinger Wald. Einbezogen sind der niedersächsische Teil des Kaufunger Walds als Ausläufer des Osthessischen Berglands (D47), das südliche Harzvorland als Ausläufer des Thüringer Beckens (D18) sowie ein Teil des Nördlichen Harzvorlands (D33).
Region 9 Harz
Der niedersächsische Teil des Harzes ist das höchste Gebirge des Landes (bis 971 m ü. NN) und besteht überwiegend aus Silikatgesteinen. Bezeichnend sind ausgedehnte Buchen- und Fichtenwälder, zahlreiche Felsen und naturnahe Hochmoore. Typische Bestandteile der Kulturlandschaft im Umfeld der Orte sind Bergwiesen, alte Stauteiche und weitere Zeugnisse des historischen Bergbaus. Aufgrund der hohen Niederschläge entspringen im Harz zahlreiche Bäche und Flüsse, die die größten Trinkwasser-Talsperren des Landes speisen.
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